© Anton Prock 2013
Österreich im 18. Jahrhundert
K
Der
Kaiser Joseph I. (reg. 1705-1711)
Joseph gehört zu den ungewöhnlichsten Herrschern der Familie Habsburg. Er wurde 1678
als erster Sohn von Kaiser Leopold I. und seiner Gattin Eleonore Magdalena Theresia
von Pfalz-Neuburg geboren. Mit acht Jahren bekam er einen eigenen Hofstaat, bestehend
aus einem Obersthofmeister, sechs Kammerherrn und weiteren 36 Personen. Schon als
Kind war er äußerst lebhaft und energisch . Mit 26 Jahren folgte er seinem Vater
als Kaiser. Er galt als überaus schön und wurde von den Frauen verehrt, war sehr
lebensfroh und unterhaltsam. Seine großen Leidenschaften waren die Musik und die
Jagd.
Sein Vater hatte die Regierungsgeschäfte häufig vernachlässigt und hinterließ deshalb ein Chaos in der Verwaltung und den Finanzen. Joseph war sich dessen bewusst und strebte einschneidende Veränderungen an. Ein wichtiges Anliegen war ihm die Schaffung von Zentralstellen, die Neuorganisation des Staates, die Reform des Heeres, der Finanzen und der Verwaltung. Da er nur sechs Jahre regierte, konnte er wegen Zeitmangels viele seiner Pläne nicht verwirklichen. Während seiner ganzen Regierungszeit war er mit dem Spanischen Erbfolgekrieg beschäftigt, den sein Vater begonnen hatte.
Schon in jugendlichen Jahren führte er ein ausschweifendes und unmoralisches Leben.
1699 heiratete er Amalie Wilhelmine von Braunschweig-Lüneburg, von der man hoffte,
dass sie ihn auf den richtigen Weg führen würde. Doch er ließ sich nichts sagen,
ging weiter seinen sexuellen Ausschweifungen nach.
Die Ehe verlief grundsätzlich gut, beide waren einander sehr zugeneigt. 1699 kam die Tochter Maria Josepha zur Welt, die später Kurfürst Friedrich August II. heiraten sollte. 1700 folgte der Thronfolger Leopold, der jedoch noch vor seinem ersten Geburtstag verstarb. 1701 erblickte die Tochter Maria Amalia Josepha das Licht der Welt, sie sollte später Kurfürst Albrecht von Bayern heiraten. Die Töchter lernten Französisch, Latein und Deutsch, aber auch Geografie, Geschichte, Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion.
Als Joseph 1705 das Erbe seines Vaters antrat, war er schon ein schwerkranker Mann,
gekennzeichnet von Alkoholexzessen und seinem ausschweifenden Sexualleben. Er hatte
sich eine Geschlechtskrankheit zugezogen und seine Frau damit angesteckt, die nun
keine Kinder mehr bekommen konnte. Aus seinen Liebschaften gingen zahlreiche uneheliche
Kinder hervor.
Amalie Wilhelmine erhielt nach dem Tod ihres Mannes 1711 Schloss Schönbrunn als Witwensitz zugewiesen, gründete aber das Salesianerinnenkloster am Rennweg und trat 1722 dort ein.
Als 1710 die Pocken in Wien ausbrachen, schloss er sich in den hintersten Zimmern seiner Appartements in der Wiener Hofburg ein und verbrachte dort sechs Wochen in völliger Abgeschiedenheit. Im April 1711 verstarb er. Zwei prunkvolle Trauergerüste wurden in der Augustinerkirche und im Stephansdom aufgestellt, entworfen von Johann Bernhard Fischer von Erlach. Sein Bruder Erzherzog Karl, König Karl III. von Spanien, musste möglichst rasch aus Spanien nach Österreich zurückkehren.
Über die Rolle Josephs in der Geschichte Österreichs gibt es verschiedene Aussagen. Manche Historiker sehen ihn als den größten Herrscher des Hauses Habsburg, andere wiederum sind der Meinung, dass er sein Leben verschwendet hat und viel mehr leisten hätte können.